Es gibt auch so wenig Grund, zu arbeiten. Es gab mal so Dinge wie gute Bezahlung, geregelte und kurze Arbeitszeiten oder das Versprechen, am Ende seiner Zeit eine Rente zu erhalten, von der man Leben kann. Ich frage mich, wenn das größtenteils wegfällt, warum ich dann noch Vollzeit arbeiten soll.
Selbst ein erfüllender Beruf und gutes Einkommen führen nicht dazu, länger arbeiten zu wollen. <
Mit dem Einkommen hat die Situation also wenig zu tun. Die Menschen wollen einfach mehr Zeit mit sich und ihrem sozialen Umfeld verbringen.
Ich habe letztens zwei Focus Gruppen Gespräche in einer Studie miterleben dürfen, wo Menschen der Gen Z miteinander (angeleitet) gesprochen haben. Sie identifizieren sich einfach nicht mehr mit Arbeit sondern suchen sich selbst und die Gemeinschaft. Was früher (tm) als Aushängeschild wichtig war gibt es nicht mehr. Es gibt gar kein Aushängeschild. Kein Auto, kein dicker Urlaub, usw.
Arbeit ist etwas, was nebenbei stattfindet. Das merke ich auch in den Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen. Es werden nur noch Lebensläufe eingereicht, keine Motivationsschreiben/Anschreiben, die sich in irgend einer Art mit dem Unternehmen auseinandersetzen. Leute arbeiten im Homeoffice, Mitarbeiter branding ist ihnen Schnuppe.
Sie identifizieren sich einfach nicht mehr mit Arbeit sondern suchen sich selbst und die Gemeinschaft.
Wie soll man sich auch mit der Arbeit identifizieren, wenn man sowieso nach 5-10 Jahren betriebsbedingt gekündigt wird, oder halt selbst die Arbeitsstelle wechseln muss, um mal eine halbwegs gute Gehaltserhöhung zu bekommen?
Selbst ein erfüllender Beruf und gutes Einkommen führen nicht dazu, länger arbeiten zu wollen.
Da widerspreche ich und vermute mal, der Artikel setzt "gutes Einkommen" weit unter Eigenheim, 3 Kinder, 2 neue Autos, 2 mal Urlaub im Jahr und gesicherte Rente, von der man die Welt bereisen kann (also wie es vor ein paar Generationen noch der Fall war) an. Das wäre das Gehalt, das man braucht, damit Vollzeit Sinn macht. Alles darunter ist halt kein "gutes Gehalt" nach traditionellen Maßstäben, wo alle noch Vollzeit gearbeitet haben. Dieses Ziel ist einfach unerreichbarer geworden.
Die Reallöhne sind schlichtweg absurd tief gefallen und wenn man sich seine Träume mit Vollzeit nicht erfüllen kann, arbeitet man halt lieber in Teilzeit und kauft nur das nötigste. Es wird von verwöhnten Spitzenverdienern und illusorischen Neoliberalen gerne als Luxusproblem dargestellt, damit noch mehr soziale Programme gekürzt werden können, aber dem ist mit nichten so.
Von der Identifikation mit Arbeit will ich gar nicht groß anfangen. In der Arbeitswelt von heute besteht aus Drehtüren, die Arbeiter mindestens genau so schnell wieder ausspucken wie die angeheuert werden. Loyalität wird nicht mehr geschätzt, selbst wenn sie erwartet wird.
Arbeit ist etwas, was nebenbei stattfindet. Das merke ich auch in den Bewerbungen und Vorstellungsgesprächen. Es werden nur noch Lebensläufe eingereicht, keine Motivationsschreiben/Anschreiben, die sich in irgend einer Art mit dem Unternehmen auseinandersetzen. Leute arbeiten im Homeoffice, Mitarbeiter branding ist ihnen Schnuppe.
Nach meiner Einschätzung liegst du da einem Trugschluss auf: Das liegt nicht daran, dass Arbeit grundsätzlich einen geringeren Stellenwert hätte - auch wenn da durchaus was dran sein mag. Es lohnt sich halt einfach nicht Motivationsschreiben zu verfassen. Einerseits, wegen der Fülle an offenen Stellen, andererseits weil man von den Personalern eh anhand des Lebenslaufs ausgewählt wird. Für die Personaler ist ein Anschreiben dann erst im Nachgang wichtig. Bei Unternehmen, die so viel Andrang haben, dass sie noch ein Anschreiben verlagen können, kommen aber 99,9% der Bewerber nicht rein. Also warum sollten Leute, die sich selbst nicht zu den Top 0,1% zählen ihre Zeit mit Motivationsschreiben verschwenden?
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass die Bedeutung von Berufen, für die es eine klare Ausbildung gibt, stark abgenommen hat. Die Vielfalt der Stellen ist heute einfach größer denn je. Für einen Maurer mag es Sinn machen, erklären zu müssen, warum er bei Maurerbetrieb Rudolf und nicht bei Maurerbetrieb Heinz arbeiten möchte. Aber, wenn du heute an der einen Stelle nicht als Produktmanager genommen wirst, arbeitest du halt vielleicht an anderer Stelle als Projektmanager.
Beim Thema Mitarbeiterbranding kommt mir auch die Galle hoch. Das ist doch ein sehr junges Phänomen, das an die Stelle getreten ist, wo früher noch professionelle Distanz das "Miteinander" im Unternehmen bestimmt hat. Heute hast du dich gefälligst mit dem Unternehmen zu identifizieren und es bestenfalls noch als deine Erstfamilie betrachten. Das ist doch einfach nur übergriffig. Das ganze Thema ist auch eine ungeheure Ressourcenverschwendung, mit der sich HR-Abteilungen ihre Daseinsberechtigung schaffen wollen. Das führt dazu, dass man sich auf jeder Karriere-Seite erst einmal durch seitenlanges Blabla wühlen muss, bevor man den irgendwo versteckten "Offene Stellen" Link findet. Wenn überhaupt, ist die Mission eines Unternehmens erst dann wichtig, wenn ich ein Angebot von mehreren Unternehmen vorliegen habe und es mir dann leisten kann, über die Mission nachzudenken. Erst kommt das Fressen, dann die Moral.
Wenn eine Firma ein Motivationsschreiben direkt fordert, bewerbe ich mich nicht mal.
Eine Email die ganz kurz auf die Stelle und das Unternehmen eingeht, 3-4 Sätze, und alles weitere wichtige steht im angehängten Lebenslauf. Diese copy paste Motivationsschreiben wo man 5 Wörter austauscht und sich für eine andere Stelle bewirbt habe ich noch nie verstanden.
Sie identifizieren sich einfach nicht mehr mit Arbeit sondern suchen sich selbst und die Gemeinschaft. Was früher ™ als Aushängeschild wichtig war gibt es nicht mehr. Es gibt gar kein Aushängeschild. Kein Auto, kein dicker Urlaub, usw.
Mmm, hört sich nach mir in meiner Jugend an. Ob das nicht eventuell eher eine Alterseinstellung ist? Ich frag mich, wie die Gen Z das dann sieht, wenn sie Kinder hat und Geld/Nahrung/Klamotten ranschaffen muss.
Ich verdiene gut auf 35h, und meine Rente wird vermutlich auch reichen (keine Ahnung wie es in 30 Jahren dann aussieht...)
Ich arbeite trotzdem keine Minute länger als absolut nötig. Warum auch? Es gab dafür noch nie einen guten Grund. Lebenszeit ist endlich, warum soll ich die eintauschen? Nichts kann sie adäquat ersetzen. Das merkt man immer dann, wenn jemand unheilbar krank wird. Da redet dann keiner mehr über Überstunden oder sowas.
Ja, gute Frage. Viele Branchen waren schon immer eher am Arschende der Bezahlungsskala.
Früher ist das vllt nicht so aufgefallen weil das Geld mehr wert war und die schlechter bezahlten eher die Zusatzverdiener als die Hauptverdiener waren? (Sprich Ehefrauen die Putzen oder Kassieren gehen). Aber das ist nur eine Möglichkeit.
Also gab sicher sau gut bezahlte Jobs mit normalen Arbeitszeiten, die aber teilweise halt Knochenjobs waren, Beispiel Steinkohlebergbau. Sehr bequeme Rente mit Anfang/Mitte 50 aber dafür meist körperlich einfach aufgebraucht.
Ich wollte eher darauf hinaus, dass es geregelte Zeiten waren oder mal Freitags früher rauskam. Heute muss man in vielen Jobs vertraglich schon Überstunden machen. Und man verdient trotzdem nicht viel. Ich komme ursprünglich aus der Mediengestaltung und damals hat man zumindest noch gutes Geld für die Überstunden bekommen.
Ich sehe es ähnlich, aber aus der anderen Richtung: Dank Sozialleistungen lässt es sich auch ohne Arbeit nicht schlecht leben. Dann noch hier und da schwarz arbeiten...
Und, was arbeitest du so nebenbei schwarz? Oder lebst du so gar nicht, sondern glaubst, dass es so ist?
Das war früher noch viel übler. Mein Onkel hat das Spiel perfekt gespielt. Irgendwo anstellen lassen, bisschen gearbeitet und wieder 3 Jahre volles Arbeitslosengeld erhalten.
Das ist heute unmöglich.
Immer diese faulen Boomer. Ganzen Tag daheim rumsitzen und Avocado Toast futtern und dann auch noch früher in Rente gehen wollen. Denkt denn niemand mehr an die arme Wirtschaft? /s
Geld spielt natürlich eine Rolle, wenn ich mir allerdings anschaue was mir vom Brutto momentan bei einer 100% Stelle netto bleibt fragt man sich, wofür man 40 Stunden arbeiten soll. Vermögen aufbauen ist trotz gutem Gehalt nur schwer möglich, ein Eigenheim bei der momentanen Preislage und Zinsen nicht vorstellbar. Wenn jetzt tatsächlich noch die Beitragsbemessungsgrenze der Krankenkasse angehoben wird, werde ich auch meine Stunden reduzieren.
Alles was man so zum Leben braucht kann ich auch mit etwas weniger Nettogehalt finanzieren.
Wenn ich mein Bruttogehalt sehe, denke ich immer, dass ich ein Bonze bin.
Wenn ich mein Nettogehalt sehe, rege ich mich darüber auf, dass der Eintopf aus der Dose inzwischen über 2 € kostet.
Vielleicht könnten wir uns mal unterhalten, wie sehr die Coaching-Industrie unserer Volkswirtschaft schadet? Anstatt irgendwas produktives zu machen, gibt es eine Herrschar an Menschen, die anderen Menschen erklären, wie man scheißt.
Das kann doch echt nicht sinnvoll sein :D
Und das ist nur ein Beispiel unter vielen. Vielleicht sind wir auch nur unproduktiv (siehe Verwaltungsüberhänge) und nicht faul?
Ein Cousin meiner Frau ist kurz nach Kriegsbeginn aus Russland weg - haengt jetzt in irgendeiner ehemaligen Sovietrepublik fest. Er brauchte Geld, daher hat er dann angefangen reichen Russen Lifecoaching anzubieten - ich sehe das zwar auch eher als Betrug an, aber er hat seine Opfer da schon gut ausgesucht damits niemand falschen trifft.
Ich hatte die Möglichkeit ein paar Stunden runter zu gehen und es ist tatsächlich entspannter mit 35 statt 40. Hätte ich vorher nicht gedacht, aber die Stunde mehr jeden Tag merkt man deutlich.
Bei 8h Schlaf, 8h Arbeit, 2h Fahrtzeiten und 2h für Essen, Hygiene und Haushalt hat man 4h Freizeit. Eine Stunde weniger Arbeit bedeutet 25% mehr Freizeit in dem Beispiel, was für viele ganz gut hinkommt.
Hab auch auf 35h reduziert und vorher haben mir auch alle Kollegen gesagt dass das keinen Unterschied macht. War aber definitv spürbar und damit ich wieder mehr als 35h arbeite muss ich erstmal ne Stelle finden die mir extrem viel spaß macht.
Welche Lohneinbußen musstest du hinnehmen, wenn ich fragen darf? Durch die derzeitige Gestaltung des Steuersystems, dürften die eher gering ausfallen, oder?
Die haben einfach zu viel verdient und die Arbeitgeber können sie nicht zwingen länger zu machen.
Der Fehler wurde durch konsequente Umverteilung der Produktivitätsrendite von unten nach oben in den nachfolgenden Generationen behoben.
Wenn Millenials in 25 Jahren das gleiche versuchen verhungern sie einfach.
Ich bin jetzt 32 Jahre alt und habe ab diesem Monat von 40 auf 30 Stunden reduziert. Ich will einfach mehr machen am Tag und mehr Zeit haben. Weniger Stress für Körper und Geist.
Niemand arbeitet länger als er/sie muss. Es wurde den Leuten jahrzehnte viel Freizeit und Selbstverwirklichung für wirtschaftliche (Selbst-) Ausbeutung versprochen. Natürlich nehmen sie die erst beste bezahlbare Chance zum Ausstieg aus dem Hamsterrad wahr. Ist halt nur blöd, dass das Schneeballsystem Rente ganz überraschend aufhört zu funktionieren.