Habecks Grüne setzten im Wahlkampf auf einen Kurs der Mitte. Die falsche Strategie in polarisierten Zeiten? Klar ist: Die Partei wird sich damit beschäftigten, wie stark die Linke Wähler hinzugewinnen konnte. Von Tina Handel.
Ich halte es für Zeitverschwendung, wenn die Grünen überlegen, wie sie der Linken Stimmen abluchsen können. Ziel muss sein, dass die Menschen erkennen wie sehr ihnen Rechts schadet.
So ist es. Die Wähler auf der rechten Seite gewinnt man sicher nicht zurück, indem man nach rechts rückt, sondern indem man ihnen immer wieder aufzeigt, wie sie von rechts manipuliert werden, und indem man Politik macht, die ihnen wirklich hilft.
Eine grüne Partei, die mehr Befugnisse für die Polizei und mehr Grenzkontrollen fordert, und dafür das Label "Mehr Sicherheit für Deutschland" verwendet, während es weniger gewaltsame Straftaten gibt als vor 15 Jahren, muss damit rechnen, dass einige alte Fans sich abwenden.
Kompromisse gehören dazu aber wer vor rechten Narrativen einknickt wird seiner Verantwortung nicht gerecht. Ich habe als queere Person diesmal nicht die Grünen gewählt, nachdem sie gezeigt haben, dass zu Wahlkampfzwecken auch die Würde von migrantisierten Personen und Geflüchteten auf dem Verhandlungstisch sind.
Solidarität heißt einer für alle und alle für einen – ich akzeptiere nicht, wenn man eine Minderheit unter den Bus wirft, nur weil die Stimmung gerade nicht opportun ist. Dass die Grünen in der Ampelkoalition oft über den Tisch gezogen wurden war da für mich eher sekundär, die Kapitulation vor rechten Narrativen war für mich der ausschlaggebende Grund.
Das ist alles Hätte, Wenn und Aber. Das eigentliche Problem sind die 25 %^* der Wähler, die populistische Parteien gewählt haben.
Dass Habeck die Koalitionsfähigkeit so in den Vordergrund gestellt hat, ist m.M.n. eher positiv in Abgrenzung zu der strikten Ablehnung aus der CDU und vor allem der CSU. Es hätte genauso gut gestern ein Ergebnis herauskommen können, bei dem es quasi ausgeschlossen gewesen wäre, ohne die Grünen zu regieren, ohne, dass die Union eine Koalition mit der AfD eingeht, was sie ja ebenfalls kategorisch ausgeschlossen hat (Hoffen wir, dass es dabei bleibt). Merz und die Union hätten dann in beiden Fällen ihr Gesicht verloren.
*: Strenggenommen müsste man hier die 4,3 % für die FDP noch hinzurechnen.
Der CDU traue ich noch zu, dass sie den Populismus zumindest teilweise wieder zurückfahren, wenn sie wieder selbst Regierungsverantwortung tragen müssen. Andernfalls gebe ich Dir recht, haben wir jetzt ein gewaltiges Problem mit unserem frisch gewählten Mini-Trump aus Arnsberg.
Es hätte genauso gut gestern ein Ergebnis herauskommen können, bei dem es quasi ausgeschlossen gewesen wäre, ohne die Grünen zu regieren
Ist es aber nun einmal nicht und die Grünen haben am meisten an die Linke verloren. Das sind die Fakten.
Anekdotisch kann ich da bei mir sagen, dass ich letztes Mal noch die Grünen gewählt hatte, dass das dieses mal aber schlussendlich nicht mehr ging. Ich habe immer gehofft, dass die doch noch die Kurve kriegen aber die wollten meine Stimme ganz einfach nicht. Ok, dann hat sie jetzt halt jemand anderes bekommen.
Wenn die ca. 700.000 Stimmen, entsprechend ca. 1.4 Prozentpunkten, nicht an die Linke, sondern an die Grünen gegangen wären, hätte das an dem Fehlen einer Mehrheit für Schwarz-Grün oder ganz zu schweigen für Rot-Grün-Rot rein gar nichts geändert. Klar ist das nicht schön für die Grünen, aber es ist in der Praxis quasi bedeutungslos. Das Problem sind die 1 Million ehemaligen Union-Wähler, die 900.000 ehemaligen FDP-Wähler und die 720.000 ehemaligen SPD-Wähler, die jetzt die AfD gewählt haben.
Ehrlich gesagt fand und finde ich den Ansatz nicht verkehrt. Stimmen an die Linken zu verlieren ist ja für Deutschland und die Demokratie nicht schlecht. Es wäre natürlich schön genug Mandate zu haben um zumindest theoretisch für eine Zweierkoalition zur Verfügung zu stehen, aber das sind rechenspiele. Ich denke es wurde nur unterschätzt wie sehr Habeck und die Grünen bei vielen Bürgern als Feindbild festgesetzt sind. Die erreicht man nicht mehr indem man das bessere Angebot macht, zumindest nicht kurzfristig
Ich fand es ziemlich nervig wie die Grünen vor der Wahl und besonders Habeck am Wahlabend wiederholt den Linken schuld gegeben haben am eigenen Ergebnis.
Fakt ist, dass die Grüne Jugend und der alte Vorstand schon vor mehreren Monaten aufgegeben haben, weil ihnen die Partei nicht mehr gepasst hat. Sarah Lee-Heinrich redet jetzt vor allem auf Plena der Rosa-Luxemburg Stiftung und der Linken, aber nicht erst seit dem letzten "Hype"-Wochen der Linkspartei, sondern seit mehreren Monaten.
Die dürfen sich selbst an die Nase fassen statt einen Sündenbock zu suchen.
Ich war fürs ZDF mit auf der Wahlparty der Grünen. Als die ersten Hochrechnungen bekannt gegeben haben würde bei den Zahlen der Linken fast so laut gejubelt wie bei den eigenen Zahlen. Das durchschnittliche Grünen Parteimitglied scheint also durchaus solidarisch gegenüber den Linken und ist nicht wütend über „gestohlene Stimmen“.
Mir gefiel überhaupt nicht, was für Kompromisse die geschlossen haben, um zu regieren. FPD kriegt mit weniger Stimmanteil den Verkehr und Wirtschaftsminister, und hebelt damit gefühlt alles aus was der Umweltminister fordert. Super. Aber zumindest ist das Kiffen jetzt legal - nein, kriegt man natürlich auch nicht vollendet.
Und was hat man eingebüßt? Lützerath, Scholz kriegt Amnestie für Cum-Ex und G20, Palestina wird mit unseren Waffen ermordet und alles andere was Gerechtigkeit angeht begräbt man auch als man nichteinhaltung des Fraktionszwanges mit Parteiausschluss kontert.
Ich hoffe, man steht das nächste Mal wieder für etwas - sei es Klima, Gerechtigkeit oder was auch immer. Und dann drückt man das auch besser durch, wenn man regiert.
Vor allem, wenn ich grüne Politik will, muss ich ja auch die Linke wählen. Die Grünen versprechen das zwar gerne, aber machen tun sie es dann sehr halbherzig. Und die Koalition ist eh wichtiger als Ideale. Ich weiß nicht. Ich sähe die Grünen als guten Ersatz für eine:n FDP Wähler:in. Neo-liberale Politik können sie ja halbwegs. Aber sonst wüsste ich jetzt nicht, warum ich die aus freien Stücken wählen möchte.
Vor allem, wenn ich grüne Politik will, muss ich ja auch die Linke wählen. Die Grünen versprechen das zwar gerne, aber machen tun sie es dann sehr halbherzig.
Naja, fairerweise hat die Linke im Bund noch nie Verantwortung übernehmen müssen und konnte daher noch nicht beweisen, wie genau sie es mit ihren Versprechungen meint. Aus der Opposition fordern ist leichter als in der Regierungsverantwortung auch tatsächlich umsetzen.
Ja, das ist auch mein Punkt. Ich würde die gerne mal nicht in der Opposition sehen. Aber fairerweise machen sie dort auch regelmäßig ganz gute Arbeit, stellen sehr interessante Anfragen und sowas. Scheinbar scheinen sie ein paar intelligente Leute zu haben, die wissen wo man mal genau nachschauen muss. Also ich sehe da durchaus Potential. Aber da das nie passiert, wissen wir auch nicht wie sie mit Regierungsverantwortung im Bundestag dann wirklich umgehen würden.
Das ist doch kompletter Murks. Guck doch mal wie unbeliebt sich die Grünen gemacht haben, gerade weil sie bestimmte Standpunkte vertreten haben (Heizungsgesetz) und was in einer Koalition mit SPD und fucking FDP überhaupt als Juniorpartner realistisch gewesen ist. Willst du mir jetzt erzählen, die Linke hätte bei gleicher Sitzverteilung einen besseren Job gemacht?
Weiß nicht was die Linke gemacht hätte. Ich find's halt nur blöd, dass es eigentlich die Grünen hätten sein sollen, die die Atomkraftwerke abschalten. Waren sie aber nicht, sondern das verdanken wir Frau Merkel. Und soo super ist es auch nicht gelaufen, wenn wir dann mehr Gas und Kohle verstromen. Da hätte ich mir gewünscht, dass die Grünen sich da stark gemacht hätten und laut gewesen wären den besten Weg vorzuplanen.
Und bezüglich Energiewende sehe ich auch ein paar dringende Probleme. Angeblich müssen wir massiv ins Stromnetz an sich inverstieren. Auch um so Probleme wie Dunkelflauten zu verbessern, wo Herr März stattdessen super teure Atomkraftwerke will. Neue Windkraftanlagen bauen ist schwierig in Deutschland schon seit einiger Zeit. Selbst alte Standorte in Betrieb zu halten. Und ich wohne hier in der reichen Vorstadt, wo viele Leute sich super gerne Wärmepumpen kaufen. Oder in eine Solaranlage investieren. Vielleicht sollte man das ein bisschen einfacher machen und dann bezahlen die Bürger das auch noch selber. Wollen, tun das offensichtlich eine Menge Leute hier. Stattdessen machen die Grünen irgend so einen Murks und streiten sich in der Regierung um ein Heizungsgesetz was an viel komplizierteren Hebeln ansetzen will. Und gleichzeitig sehen sie ganz viel Potential überhaupt nicht. Und wer nimmt denn mal die Energiepolitik von Merz auseinander und sagt das ist kompletter schwachsinn, wir haben hier Experten und Wissenschaftler, die sagen wir müssen dies und das machen um die Probleme möglichst Kosteneffizient auszuräumen? Also entweder lese ich andere Artikel über Wissenschaft und Energiewende, oder die Grünen kämpfen irgendwie mit dummen Details anstatt das Richtige zu fordern oder umzusetzen, wenn sie doch schon regelmäßig mitregieren.
Ich weiß, das ist für Fundis schwer nachzuvollziehen, aber die besten Ideale bringen der Bevölkerung nichts, wenn du nur in der Opposition hockst. Und Regierung gibts bei uns glücklicherweise nur als Koalition und Koalition heißt nun Mal auch Kompromisse.
Ja, ist halt ne blöde Situation. In der Opposition kann man die Ideale nicht umsetzen, aber gut meckern. Und in der Regierung muss man Kompromisse machen und kann seine Ideale dann auch nicht umsetzen... Ist dann halt die Frage, was man mit deinen Idealen dann anfängt, wenn man welche hat.
Sollte denen das Klima nicht darum wichtig sein? Also wenn es negative Auswirkungen hat, werden sicherlich ja die armen Leute und Arbeitnehmen am meisten darunter leiden. (Wie unter allem wo man sich mit mehr Geld, mehr Abhilfe kaufen kann.) Gibt es konkrete Beispiele wo die beiden Sachen gegeneinander ausgespielt worden sind? Mir fällt da gerade kein Beispiel ein. In derem Werbematerial heißt es schonmal "Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit gehören untrennbar zusammen." Also so ziemlich was ich gesagt habe. Ich habe jetzt aber nicht deren ganzes Parteiprogramm gelesen oder die vergangene Politik genau verfolgt...