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"Ich habe meinen Job an Chat GPT verloren und arbeite jetzt im Supermarkt"

  • Emily Hanley ist freiberufliche Werbetexterin, Schriftstellerin und Comedian.
  • Sie begann, Aufträge zu verlieren, als Kunden beschlossen, Chat GPT zu nutzen, anstatt einen Texter zu engagieren.
  • Hanley sagt, wenn ein Roboter eure Arbeit billiger erledigen kann, wird genau das passieren.

Ich habe immer davon geträumt, wegen meiner Intelligenz oder meiner unbestreitbaren Schönheit viral zu gehen. Ich hätte nie gedacht, dass das mit einem Tiktok-Video passieren würde, in dem es darum geht, dass ich meinen Job an eine Künstliche Intelligenz (KI) verloren habe.

Ich war zufrieden in meinem Job und dachte, er sei krisenresistent

Ich bin Autorin und Stand-up-Comedian. Wie die meisten Kreativen habe ich immer noch eine Festanstellung gehabt. In den vergangenen Jahren habe ich aber in Vollzeit als selbständige Texterin gearbeitet, beispielsweise für Webseiten, Markenblogs, Online-Artikel, Texte für soziale Medien und E-Mail-Marketingkampagnen.

Ich verdiente nicht das große Geld und lebte nicht in Saus und Braus auf einer Yacht in Capri, aber ich fühlte mich wohl. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ich eine solide Karriere hatte.

In unserem Streben nach Innovation haben wir immer die Fortschritte gefeiert, die Arbeiter nutzlos gemacht haben: Wir haben die Druckerpresse bewundert, ohne an den Schreiber zu denken, und uns über die Leichtigkeit eines Aufzugsknopfes gefreut, obwohl er den Fahrstuhlführer schnell ersetzte.

Trotzdem ist es etwas anderes, wenn es einem selbst passiert

Zuerst hat sich meine Arbeit entschleunigt. Statt zehn Aufträgen pro Woche hatte ich nur noch fünf. Dann drei. Dann einen. Und wie jeder gute Millennial mit Selbstzweifeln dachte ich zuerst, es läge an mir. Endlich wurde ich als talentloser Schreiberling entlarvt – ich war ungeeignet als ‚professionelle‘ Autorin.

Die meisten meiner freiberuflichen Aufträge erhielt ich von einer einzigen Agentur, die mit mehreren Marken zusammenarbeitete. Als die Aufträge ausblieben, schrieb ich meinem Redakteur eine E-Mail und fragte ihn, ob ich gefeuert worden sei oder ob sich alle Marken plötzlich gegen mich entschieden hätten. Die gute Nachricht: Ich war nicht das Problem. Aber als ich den wahren Grund erfuhr, wünschte ich, ich wäre es gewesen.

Die Kunden waren einfach nicht mehr bereit, für das Schreiben von Texten zu bezahlen. Es sei denn, der Texter konnte auch E-Mail-Management und ein System zum Aufbau von Kontaktkanälen anbieten. Dies ist wahrscheinlich auf die neue Popularität von Chat GPT zurückzuführen. Die meisten meiner Kunden waren kleine Unternehmen, Start-ups und junge Marken, die in der Regel die ersten sind, die sich an neue Technologien anpassen, um Kosten zu sparen… in diesem Fall also ich.

Auf einem übersättigten Arbeitsmarkt einen Job zu finden, gleicht einem Anruf beim Kundenservice: Man verbringt viel Zeit mit Warten

In den kommenden drei Monaten bewarb ich mich ununterbrochen auf Stellen im Bereich Content und Copywriting. Mit jeder Woche, die verging, erweiterte ich den Umfang meiner Suche. Die Verzweiflung führte dazu, dass ich immer weiter machte.

Mehrere gelungene, aber ergebnislose Vorstellungsgespräche später (eines davon führte ich auf Hawaii am Tag der Hochzeit meines besten Freundes) war ich immer noch arbeitslos. (Nebenbei bemerkt: Diese wunderschöne Reise nach Hawaii brachte mich in eine Schulden-Stress-Spirale, wie ich sie noch nie erlebt hatte.)

Dann stieß ich durch einen ziemlich aufdringlichen Personalvermittler auf eine vielversprechende Stelle. Es handelte sich um einen gut bezahlten, wenn auch äußerst vagen Vertrag über sechs Monate bei einem globalen Konzern, dessen Namen ich aufgrund einer Geheimhaltungsvereinbarung nicht nennen kann. Ich ging voller Hoffnung in das Vorstellungsgespräch und wünschte mir, ich wäre dem Rat meines Vaters gefolgt und Elektrikerin geworden.

Das Unternehmen suchte einen Werbetexter, um seine künstliche Intelligenz zu schulen und ihre Kommunikationsfähigkeiten zu verbessern und menschenähnlicher zu machen. Der Vertrag war auf sechs Monate befristet, denn so lange würde die KI brauchen, um zu lernen, so zu schreiben wie ich, nur besser/schneller/günstiger.

Wenn ihr jetzt glaubt, dass ich das anschließende Vorstellungsgespräch abgelehnt habe, weil ich dann keine Arbeit mehr finden würde, dann liegt ihr falsch. Wenn ihr am Rande des finanziellen Ruins steht, macht ihr euch nicht unbedingt Gedanken darüber, was die „richtige Entscheidung“ für eure Zukunft ist. Viel wichtiger sind in diesem Moment Grundbedürfnisse wie Nahrung und ein Dach über dem Kopf.

Lustigerweise habe ich den Job am Ende gar nicht bekommen, obwohl ich ihn genommen hätte

Stattdessen wurde ich als ‚Markenbotschafterin‘ engagiert. Das bedeutet nichts anderes, als dass ich in Supermärkten Gratisproben von Mineralwasser verteile. Ich bewerbe mich immer noch um Jobs, aber in der Zwischenzeit kann ich so die Lichter anlassen.

Im Januar 2023, zwei Monate nach dem Start, überschritt Chat GPT die Marke von 100 Millionen Nutzern und festigte damit seinen Status als die am schnellsten wachsende App aller Zeiten. Je mehr Benutzer Anweisungen eingeben, desto intelligenter wird Chat GPT, und desto mehr Texter werden sich mir – und dem Fahrstuhlführer – anschließen und veralten.

Während ich und zahllose andere arbeitslose Werbetexter die erste Welle von Kollateralschäden sind, ist der Zusammenbruch meines Berufsstands wahrscheinlich nur die Spitze des KI-Eisbergs. Challenger, Gray & Christmas hat Daten vorgelegt, die zeigen, dass Künstliche Intelligenz im Mai 2023 zu fast 4000 verlorenen Arbeitsplätzen führen wird.

Ich war blauäugig davon ausgegangen, dass Künstler und Kreative vor der Automatisierungstechnologie sicher wären, denn wie könnte etwas das Wunder des menschlichen Geistes ersetzen? Und selbst wenn es das könnte, warum sollten wir das wollen?

Tja, heute weiß ich, dass selbst in den kreativsten Branchen die Bilanz wichtiger ist als die Kreativität. Wenn ein „Roboter“ also eure Arbeit für weniger Geld erledigen kann, als ihr, dann solltet ihr wissen, dass genau das passiert.

111 comments
  • Ich finde es grundsätzlich begrüßenswert, wenn Arbeiten, die für Menschen zu gefährlich oder stumpfsinnig sind, von Maschinen übernommen werden. Werbetexter, brrr. Unmenschlich.

    Abgesehen davon bin ich überzeugt, dass ein LLM mit Text-to-Speech Output lustiger ist als 80% der deutschen Comedians.

  • Eine von inzwischen vielen tausend Geschichten und das sollte uns allen zu denken geben. Es hat einen Grund warum gefühlt die halbe Filmbranche in den USA gerade Streikt. Denn selbst jobs die ChatGPT eigentlich noch nicht so gut hinkriegt, werden inzwischen damit ersetzt.

    Das hat den einfachen Grund, dass dadurch Berufsfelder mit einer starken Gewerkschaft zerstört und durch Niedriglohnarbeit ersetzt werden können. Es ist dabei erst mal völlig egal, ob die neuen Jobs trotz KI sehr lange brauchen, um etwas brauchbares zu erstellen und sie nicht ganz an die originalen herankommen. Es geht der Industrie erst mal nur darum, Gewerkschaften zu erodieren um weniger Lohn für 'neue' Jobs zu zahlen.

    Es geht um mehr als nur von der KI ersetzt zu werden oder mit ihr künftig arbeiten zu müssen. Die Tech-Firmen haben unsere Daten ausgeschlachtet um eine Maschine zu bauen, von der wir alternativlos abhängig gemacht werden sollen. Im Vergleich zu den USA haben wir in der EU noch echt glück, dass ein fairer Umgang mit KI und den erhobenen Daten wenigstens diskutiert wird. OpenAI, Meta und andere sind an der Front bisher auch maximal unkooperativ, was noch mehr Alarmglocken läuten lässt.

    • Das hat den einfachen Grund, dass dadurch Berufsfelder mit einer starken Gewerkschaft zerstört und durch Niedriglohnarbeit ersetzt werden können. Es ist dabei erst mal völlig egal, ob die neuen Jobs trotz KI sehr lange brauchen, um etwas brauchbares zu erstellen und sie nicht ganz an die originalen herankommen. Es geht der Industrie erst mal nur darum, Gewerkschaften zu erodieren um weniger Lohn für ‘neue’ Jobs zu zahlen.

      Dem Prinzip in der Aussage kann ich vollkommen zustimmen. Es geht jedoch nicht darum ausschließlich weniger Lohn für Jobs zu zahlen. Es geht einfach darum möglichst kostengünstig zu produzierten um einen Wettbewerb aufrecht zu erhalten und in diesem zu bestehen. Als auch das Risiko zu reduzieren.
      Löhne sind nur ein Faktor darin.

      Es geht um mehr als nur von der KI ersetzt zu werden oder mit ihr künftig arbeiten zu müssen. Die Tech-Firmen haben unsere Daten ausgeschlachtet um eine Maschine zu bauen, von der wir alternativlos abhängig gemacht werden sollen. Im Vergleich zu den USA haben wir in der EU noch echt glück, dass ein fairer Umgang mit KI und den erhobenen Daten wenigstens diskutiert wird. OpenAI, Meta und andere sind an der Front bisher auch maximal unkooperativ, was noch mehr Alarmglocken läuten lässt.

      Das stimmt. Es herrscht Goldgräberstimmung. Die Ressource "Information" wurde in der letzten 40 Jahren immer leichter zu erschließen. Im Gegensatz zu physischen Gegenständen sind diese jedoch räumlich keinem Eigentümer zuzuordnen. Es fehlt an Regeln für Eigentum und Besitz und notwendiges Risikomanagement bzw. staatl Schutz. Ich hoffe die EU geht diesen Weg weiter. Sieht gearde nicht danan aus.

  • Da sind die ja dann auch endlich in der Industrialisierung angekommen :-D

    Auch wenn ich es natürlich schade finde wenn Menschen unverschuldet Jobs verlieren und Branchen aussterben, es gibt nunmal Entwicklungen und diese nicht sehen zu wollen oder "plötzlich" überrascht zu sein... Da hält sich mein Mitleid dann in Grenzen.

    Bin gespannt wann und wie sich Technik/Entwicklung auf das Gastgewerbe auswirken wird. SelbstCheckIns bzw. Rezeptionsautomaten werden nur zum Teil angenommen, vermutlich wird ein Alleinstellungsmerkmal in Zukunft eine persönliche Betreuung sein vs. keine Menschenseele im Übernachtungsbetrieb.

    • SelbstCheckIns bzw. Rezeptionsautomaten werden nur zum Teil angenommen, vermutlich wird ein Alleinstellungsmerkmal in Zukunft eine persönliche Betreuung sein

      Auf jeden Fall. Im Einzelhandel tun sich die Läden mit Selbstbezahlkassen und Infoterminals statt Personal bspw. IMO keinen Gefallen. Wenn sie schon alles weglassen wollen, dann doch bitte auch noch, dass ich durch den Laden latschen muss, dann lieber vorbestellen und ich muss es nur noch abholen. Denn wenn ich eh schon selbst vorbeifahren muss, das Zeug im Laden selbst holen und selbst durch den Laden tragen muss und jetzt auch noch selbst an der Kasse scannen und den Bezahlvorgang durchführen muss, dann kann ich auch gleich von zu Hause aus bestellen. Das hat neben dem Komfort-Vorteil auch noch den Vorteil, dass ich nicht schlimmstenfalls vor einem leeren Regal stehe, und auch noch umsonst zum Laden gefahren bin.

      • Mittelfristig wird doch eh ein Großteil der Produkte online gekauft und per Drone zum Kunden gebracht werden. All die Verkaufsflächen sind dann über und werden auf kurz oder lang ersetzt werden. Was noch fehlt ist eine Methode zur Auslieferung, die keinen DHL-Fahrer und eine Anwesenheit des Kunden zu hause voraussetzt.

        Sollte im Umkehrschluss aber auch wieder für mehr Wohnraum, weniger Umweltverschmutzung udglm. sorgen. Homeoffice noch dabei und der Individualverkehr wird stark an Bedeutung verlieren.

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