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Alle Macht den Drogen: Können Psychedelika, die heute illegal sind, uns morgen heilen?

Sobald eine Droge verboten wurden, sank bisher auch das Interesse an deren Erforschung. Doch der Diskurs ändert sich. Denn sie könnten helfen, psychische Krankheiten zu heilen, für die es sonst kaum Therapien gibt.

Es ist wirr, was der britische Parlamentarier Christopher Mayhew 1955 im Film für die BBC erzählt. Mit geweiteten Augen starrt er in die Kamera und sagt: „Ich bewege mich jetzt von einer Zeit in die andere ... und wieder zurück. Ich bin mir nicht bewusst darüber, dass sich mein Körper bewegt, aber ich bin mir sehr bewusst darüber ...“ Es folgt eine lange Pause. „Dass ich mich in der Zeit bewege.“

Kurz zuvor hatte Mayhew 400 mg des Psychedelikums Mescalin zu sich genommen. Erst ab 1966 wurden LSD und verwandte Wirkstoffe wie Meskalin verboten, zunächst in den USA, dann weltweit. Die meisten anderen Rauschmittel waren schon lange vorher geächtet.

Doch inzwischen scheint sich die Drogenpolitik in vielen Ländern wieder etwas zu lockern. Hat eine Phase begonnen, in der Drogen „nüchterner“ betrachtet werden? In der Rauschmittel – trotz ihrer zweifelsohne gesundheitlichen Risiken – nicht mehr ideologisch und nur in den Kategorien von Sucht und Gefahr diskutiert werden?

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Wein, Bier, Opium, Hanf, Peyote, Betel, Koka und Khat: „Seit Menschen existieren, berauschen sie sich auch“, sagt der Drogenhistoriker Robert Feustel von der Uni Jena, „zu allen Zeiten und in allen Kulturen.“ Die älteste bekannte Darstellung eines Trips stammt aus einem algerischen Sandsteingebirge und ist vermutlich etwa 10.000 Jahre alt. Die prähistorische Höhlenmalerei zeigt tanzende Personen mit Pilzen in den Händen.

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Staatlich verordnete Drogenverbote seien indes ein junges Phänomen, sagt Feustel. Dies liegt vor allem daran, so der Forscher, dass Drogenkonsum bis ins 19. Jahrhundert weder von den Konsument:innen noch staatlicherseits als Gesundheitsproblem betrachtet wurde.

"Drogen wurden eher als etwas betrachtet, mit dem man Kontrolle über seinen Körper gewinnen kann, denn als etwas, das Kontrollverluste bedingt."
Robert Feustel, Universität Jena

Ferner galt der Rausch dem Staat nicht als etwas, das die Kontrolle von Arbeitern erschweren und somit den Profit hätte verringern können. Im viktorianischen England etwa habe es einen im Vergleich zur globalen Gegenwart geradezu gegensätzlichen Drogendiskurs gegeben. Opium-Konsum sei allgegenwärtig gewesen, sagt Feustel. „Drogen wurden eher als etwas betrachtet, mit dem man Kontrolle über seinen Körper gewinnen kann, denn als etwas, das Kontrollverluste bedingt.“ Die heutige Sozialfigur des abgerockten Junkies, dem sein Leben auf ganzer Linie misslingt, existierte nicht in den Köpfen der Menschen.

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Der „War on Drugs“ war rassistisch motiviert

Diese Machttechnik sei in dem von Richard Nixon 1972 ausgerufenen „War on Drugs“ dann zu voller Form aufgelaufen. Nun wurden Schwarze und Kriegsgegner:innen als gefährliche Süchtige etikettiert. Manchen Forschenden zufolge war der „War on Drugs“ vor allem eine moralisch bemäntelte Rassistenkampagne.

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Was ist Droge – und was ist Medikament?

Die Soziologin Annika Hoffman hat in ihrer Studie „Drogenkonsum und -kontrolle“ gezeigt, dass Zeitungen und Parlamente ein Problem hochjazzten, das es de facto eigentlich nicht gab. Eine Drogenepidemie hat es in den 1920er-Jahren, anders als lange kolportiert, nicht gegeben.

Auch hier wurden Drogen mit unliebsamen Minderheiten verknüpft. Für Antisemit:innen galt Heroin als eine spezifisch jüdische Droge. Schon kurz nach der Machtübernahme der Nazis wurde dann im großen Stil das Methamphetamin Pervitin produziert und als „Panzerschokolade“ an Soldaten ausgegeben. „Viele Deutsche waren ab 1936 im Grunde ständig auf Crystal Meth“, sagt Feustel. Pervitin aber galt als stark machendes Medikament, nicht als schwach machende Droge.

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Psychedelika finden Einzug in die Wissenschaft

Seit ein paar Jahren aber scheinen die drogenideologischen Fronten durchlässiger. Substanzen wie LSD und Psilocybin sind keine ausschließlichen Hippie-Drogen mehr – sie wandern in die Biomedizin. Forschende beobachten immer wieder, dass Psychedelika zum Beispiel bei psychischen Problemen helfen können.

So zeigten US-Forscher Anfang September 2023, dass eine Dosis von 25 Milligramm Psilocybin schwere depressive Symptome lindern kann. Schon 2016 beobachteten Forschende, dass Psilocybin Angstzustände von an Krebs erkrankten Menschen abschwächte.

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Australien lässt MDMA-Therapie zu, die USA bald auch

Auch wenn die Wirkzusammenhänge – ähnlich wie bei klassischen Antidepressiva – nicht eindeutig geklärt sind, werden als Drogen etikettierte Substanzen nun in Therapien verwendet. Seit Juli erlaubt Australien als erstes Land die Verschreibung von MDMA und Psilocybin auch jenseits von Studien.

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In Europa aber werde es noch Jahre dauern, bis entsprechende Therapien verfügbar seien, glaubt Gründer. Eine Einschätzung, die auch Katrin Preller teilt: „Wenn eine Substanz verboten wurde, besteht meistens kein großes Interesse daran, diese weiterzuerforschen“. Das mache es Forschenden schwer, auszuloten, wie groß das therapeutische Potenzial wirklich ist.

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Die bisherigen Forschungsergebnisse sollten jedenfalls nicht dazu anhalten, bei depressiven Schüben einfach Pilze zu essen. Psychedelika sind nicht risikofrei. Anders als das Zellgift Alkohol oder Nikotin machen sie nicht abhängig.

Aber: „Personen, die schon eine gewisse Tendenz dazu haben, können psychoseartige Zustände bekommen oder an Schizophrenie erkranken“, so Preller. Es brauche mehr differenzierte Aufklärung, um Nutzen und Risiken abschätzen zu können. Die Prohibitions- und Medizingeschichte jedenfalls zeigt, dass Drogen weder pauschal dämonisiert noch als heilbringendes „Soma“ verherrlicht werden sollten.

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